Garen. Wildheuen in Nidwalden – Eine lebendige Tradition
NM 16084
Die Schenkung zweier Garen an das Nidwaldner Museum im August 2024 war der Auslöser, sich näher mit der Kultur des Wildheuens zu befassen. Bei den Garen handelt es sich um Netze mit jeweils zwei Holzstücken an den Seilenden, in welches Heu gepackt und zu Heuballen geschnürt wird.
Das Wildheuen ist ein altes und traditionsreiches Handwerk und hat seinen Ursprung wohl im 17. Jahrhundert. Damals begannen die Bauern der Zentralschweiz, in grossen Mengen Hartkäse wie Sbrinz und Spalen zu produzieren und diesen in Norditalien zu verkaufen. Als Folge legten sie ihre Produktion praktisch vollständig auf die Graswirtschaft aus, um genügend Heu für ihr Vieh zu gewinnen. Dabei begaben sie sich auch in die sogenannten Planggen, für die Tiere zu steile Hänge.
Im Laufe der Jahre hat sich das Wildheuen weiterentwickelt und gewandelt. Eine erste Erleichterung erfuhr es mit dem Aufkommen der Burdidrähte Ende des 19. Jahrhunderts. An diesen konnten die teils über 60 kg schweren Heubündel, Burdene genannt, mit einem Haken befestigt werden und so ins Tal gleiten. Anfangs bestanden die Burdidrähte aus mehreren zusammengeschweissten Eisendrähten, seit den 1920er-Jahren konnten dann Litzenseile in der gewünschten Länge gekauft werden. In Nidwalden sind nach wie vor zahlreiche Burdiseile und -drähte in Gebrauch. Beim Herabrauschen einer Burdi erzeugen sie einen charakteristischen Ton, den die Wildheuer gerne mit einem Pfeifen vergleichen.
Heutzutage werden die meisten Planggen mit eigens den steilen Hängen angepassten Maschinen gemäht. Zum Abtransport sind nebst Burdiseilen auch Seilwinden im Einsatz, oder das Heu wird gleich vor Ort zu Heuballen gepresst, auf Traktoren verladen oder mit Transportseilbahnen ins Tal gebracht. Die wohl umstrittenste Entwicklung ist der Gebrauch von Helikoptern für den Abtransport des Heus aus den Planggen, der sich aber insbesondere mit den Direktzahlungen von Bund und Kanton für die Pflege der Steilhänge stark verbreitet hat.
Der Wert der Planggen liegt allerdings nicht nur im mageren Heu, das gut und gesund für das Vieh ist. Während die Landwirtschaftsflächen im Tal immer intensiver genutzt werden und sich teils zu öden Monokulturen wandeln, bieten die steilen Trockenwiesen nach wie vor wichtige Flächen für die Biodiversität und den Artenschutz und werden deshalb gefördert und unterstützt. Durch das Wildheuen wird der Verwilderung und Verwaldung der Planggen vorgebeugt, so dass diese ökologisch wertvollen Gebiete und Kulturflächen weiter erhalten bleiben.
Autor: Dominic Schmid, Volontär
Foto: Christian Hartmann
Literatur
- Flüeler Elsbeth, Wildheuen in Nidwalden, Zürich 2022.
- Flüeler Elsbeth, «Wildheuen in der Zentralschweiz», in: Die lebendigen Traditionen der Schweiz, Version März 2024, https://www.lebendige-traditionen.ch/tradition/de/home/traditionen/wildheuen-in-der-zentralschweiz.html, aufgerufen am 15.11.2024.