A.3Ein Held für alle — Die Wirkungsgeschichte des Winkelriedmythos
1780 legte der Historiker Johannes von Müller dem Helden Winkelried erstmals die Worte in den Mund, die ihn so berühmt machten: «Ich will euch eine Gasse machen. Sorget für mein Weib und meine Kinder!» Dies war die Botschaft der Aufklärung: Winkelried wurde zum Vorbild, der sich im Sinne von «einer für alle, alle für einen» für sein Land opfert und dabei auf die Solidarität seiner Mitbürger zählen kann.
Im 19. Jahrhundert wurde Winkelried ähnlich wie Wilhelm Tell auch zum Freiheitskämpfer. Damit war er für Liberale wie Konservative als Vorbild geeignet. Die Liberalen sahen in ihm einen Vorkämpfer für eine starke, vereinigte Schweiz. Für die Konservativen hingegen war er ein Vorbild im Abwehrkampf – nun nicht mehr gegen die Habsburger, sondern gegen die Liberalen.
Nach 1848 war Winkelried der versöhnende Schutzpatron des neuen Bundesstaates. Die Errichtung des Winkelried-Denkmals in Stans 1865 war denn auch ein gesamtschweizerisches Projekt (vgl. Das Denkmal im jungen Bundesstaat). Noch heute erscheint Winkelried immer wieder in den bekannten zwei Rollen: als heldenhafter Kämpfer für die Freiheit und als Vorbild für die Solidarität und den Gemeinschaftsgeist. Die selbstlose Opferbereitschaft Winkelrieds macht ihn bis heute anschlussfähig für politische Vereinnahmungen von links bis rechts (vgl. Wozu ein Denkmal für Winkelried?).
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A.3.1 Held für alle Wirkungsgeschichte
