Zigarettenschachtel

NM 14288

Der Duft der Welt

«Der Tabakkonsum gehört zu den grössten Problemen der öffentlichen Gesundheit», schreibt das Bundesamt für Gesundheit auf seiner Webseite. Der Warnhinweis, dass Rauchen zum Tod führen kann, prangt heute auf jeder Zigarettenpackung und soll die Menschen – vor allem die Jungen – vom Rauchen abhalten. Im Verlauf der jüngeren Geschichte wurde der Warnhinweis immer grösser, der Schriftzug der Zigarettenmarke immer kleiner und auf der Rückseite sind heute drastische Bilder über die möglichen Auswirkungen des Rauchens abgedruckt.

Früher hingegen waren Zigarettenschachteln ästhetisch – wahre Sammlerstücke, die heutzutage online zum Verkauf angeboten werden. Das aktuelle Objekt des Monats findet man in verschiedenen Variationen auf zahlreichen Internet-Auktionsplattformen. Das abgebildete Exemplar hat das Nidwaldner Museum über Umwege geschenkt bekommen. Es ist ein schönes Stück Blech, das einen beim Anblick nicht an Lungenkrebs im Endstadium denken, sondern den «Duft der grossen, weiten Welt» einatmen lässt. So lautete zumindest die Werbebotschaft einer bekannten Zigarettenmarke in den 1950er-Jahren. Dreissig Jahre früher versprach die Zigarettenfirma Turmac ihren Kunden nicht die ganze Welt, aber zumindest «die Quintessenz des Orients».

Den Tabak brachte Kolumbus 1492 aus Amerika nach Europa. Der Tabakkonsum, der für die amerikanischen Ureinwohner ein wichtiger Bestandteil ihrer sakralen Rituale war, entwickelte sich in Europa allmählich zum profanen Massenphänomen. Anfänglich wurde der Tabak geschnupft oder mittels Pfeife geraucht. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die Zigarre die Tabakpfeife zu verdrängen. Doch kaum etabliert, sahen sich die Zigarrenraucher durch eine türkisch-orientalische Innovation, die Zigarette, in Frage gestellt. Die schnell zu rauchende Zigarette schien besser in eine mechanisierte Arbeitswelt zu passen und der Zigarettenkonsum nahm rapide zu. Die industrielle Herstellung von Zigaretten war überall gleich und die verschiedenen Tabake in ihrer Qualität verwandt. Unter den Zigarettenfabrikanten entstand dadurch ein harter Konkurrenzkampf, der sich in der Reklame und damit auch in der Verpackung widerspiegelte; denn die Überproduktion musste abgesetzt werden.

Während die Zigarettenwerbung die moderne Frau als neue Konsumentin entdeckte und zu überzeugen versuchte, lancierten die schweizerischen Stumpen- und Zigarrenfabrikanten 1925 eine gemeinsame Reklamekampagne mit bekannten Sujets und unter dem Slogan: «Sei ein Mann, rauche Stumpen und Cigarren!» Im Gegensatz dazu suggerierte die Zigarettenwerbung mittels Namen, Schrift, Farben und Bilder ferne Welten, die Abenteuer und echte Gefühle versprachen. Durch die werblich genutzte Verpackung wurde über die Ware hinaus eine weitere Dimension verkauft: Der Orient als ein Ort der Sehnsucht und des Ursprungs, wohin man aus der rationalisierten Arbeitswelt fliehen kann – und sei dies auch nur für die Dauer einer Zigarette.

Der Orient – produziert im zürcherischen Seebach

Der Türke Kiazim Emin Bey gründete 1920 im niederländischen Zevenaar die Tabakfirma Turkish-Macedonian Tobacco Company, das Monogramm Turmac diente dabei als Marke. Im selben Jahr kaufte Robert Burrus, ein Spross der Tabak-Dynastie Burrus, im zürcherischen Seebach eine leerstehende Fabrikliegenschaft, richtete dort eine Zigarettenfabrik ein und begann für Emin Bey Zigaretten mit Tabak aus der Türkei und Mazedonien herzustellen. Zwischen 1930 und 1950 blühte das Geschäft: Die Fabrikliegenschaft wurde laufend ausgebaut und im Verlauf der Jahre um zwei Stockwerke erhöht. Die «Orienttabake» beherrschten bis zum Zweiten Weltkrieg den Zigarettenmarkt. Sinnbildlich hierfür ist ein Werbeplakat aus den 1940er-Jahren, das einen Schweizer Grenzsoldaten in einer Winterlandschaft zeigte und mit dem Spruch «Schenk ihm TURMAC» für die Zigarettenmarke warb. Echte Männer rauchten nun nicht nur Schweizer Stumpen und Zigarren, sondern eben auch Zigaretten aus dem fernen Orient. Mit dem Ende des Krieges setzte sich schliesslich die mildere, amerikanische Tabakmischung (American Blend) durch, gefördert durch die in Europa stationierten und rauchenden GIs. Später wurde der Marlboro Man zum Inbegriff des amerikanischen Freiheitsdrangs und zur weltbekannten Werbefigur. Der Produktionsanteil der türkisch-mazedonischen Zigaretten nahmen in der Zürcher Turmac-Fabrik laufend ab und in den 1960er-Jahren produzierte man zunehmend für andere Zigarettenmarken. 1972 stellte die Fabrik ihren Betrieb ein.

Über Umwege ins Museum

Übrig blieben die leeren, blechernen Zigarettenschachteln, die für das sichere Aufbewahren allerhand persönlicher Habseligkeiten wie Schmuckstücken, Liebesbriefen, Fotografien – alles auch Dinge aus vergangener Zeit – sehr praktisch waren und sind. Was im Objekt des Monats ausser Zigaretten aufbewahrt wurde, wissen wir nicht, aber das Nidwaldner Museum kennt seine Provenienz: Ursprünglich gehörte die Blechschachtel Edith Wyrsch-Hug, der Ehefrau des Malers Charles Wyrsch aus Buochs. Über mehrere Vermittlungspersonen gelangte die Schachtel 2001 ans Staatsarchiv Nidwalden. Vermutlich enthielt die Schachtel historische Dokumente, die herausgenommen und archiviert wurden. Denn neben dem Museum funktioniert auch das Staatsarchiv als öffentliches Gedächtnis Nidwaldens. 2013 überreichte das Staatsarchiv schliesslich die leere Blechschachtel dem Nidwaldner Museum.

Autor: Mounir Badran, November 2018

Literatur

  • Jakob Tanner: Rauchzeichen. Zur Geschichte von Tabak und Hanf. in: Christoph Maria Merki, Thomas Hengartner (Hg.): Tabakfragen. Rauchen aus kulturwissenschaftlicher Sicht, Zürich 1996, S. 15 – 42.
  • Eugen Leitherer, Hans Wichmann: Reiz und Hülle. Gestaltete Warenverpackungen des 19. und 20. Jahrhunderts, Basel 1987.
  • Arnold Wirz: Turmac AG, in: Ortsgeschichtliche Sammlung Seebach, 1.10.2016 (http://www.ogs-seebach.ch/p/infoseld.php?id=3431, 31.10.2018).
Bild zur Ausstellung: Zigarettenschachtel
NM 14288, TURMAC ORANGE, 100 CIGARETTES, um 1925, Blech bedruckt, 15 × 4.5 × 12 cm, Foto: M. Badran