Versehgarnitur
NM 9481
Ein Haushaltsutensil der anderen Art
Vor dem Sterben seine Sünden loszuwerden, war früher sehr wichtig. Die Versehgarnitur aus der Sammlung des Nidwaldner Museums war ein wichtiges Utensil dazu.
Zur Reinigung der Sünden
Anders als heute war der schlechte Tod einer, der einem plötzlich und unvorbereitet entgegentrat. Denn bevor den Mensch das Zeitliche segnete, musste er seine Sünden loswerden, d.h. er musste die Sterbesakramente empfangen, damit er sein Seelenheil erhielt. Die letzte Ölung sollte die Seele im Kampf gegen die Anfechtung des Bösen beschützen und von den Sünden reinigen. Wer die Sterbesakramente zeitig empfing, war sich eines guten Todes gewiss. Da man früher zu Hause starb, war die Versehgarnitur zum Überreichen der Sterbesakramente ein wichtiges Haushaltsutensil. Wenn es mit einem Menschen dem Ende entgegen ging, wurde der Pfarrer gerufen und das «Verwaarzüg», wie die Utensilien im Dialekt hiessen, für die Sterbesakramente hervorgeholt. «Verwaarä» bedeutete, jemandem die Sterbenssakramente zu überreichen.
Die Sterbesakramente
Die Sterbesakramente bestehen aus der Beichte, der Krankensalbung oder der letzten Ölung und der Kommunion. Darum umfasst eine solche Garnitur ein Tischtuch, ein Kreuz, zwei Kerzen, ein Weihwassergefäss und zur Reinigung der Hände des Pfarres nach der Ölung ein Gefäss mit Watte und Salz. Nach dem Sterbegebet drückt der Pfarrer das Sterbenskreuzchen dem Sterbenden in die Hand. Die Versehgarnitur lässt sich wie ein kleiner Hausaltar rasch auf dem Tisch aufstellen und enthält alle notwendigen Behältnisse.
Das Sterben in vertrauter Umgebung, im Kreis der Familie und Nachbarn war in unserer Gesellschaft lange Zeit gang und gäbe und wichtig. Nach Eintreten des Todes wurde der Leichnam im Zimmer aufgebahrt und man hielt über mehrere Tage die Totenwache. Die Versehgeräte wurden aber nicht nur an einem Sterbebett aufgestellt, auch für eine Krankenkommunion oder eine heilige Messe im Haus, wurde die Garnitur gebraucht. Deshalb leisteten sich im 19. Jahrhundert viele katholische Haushalte den Kauf einer eigenen Versehgarnitur. Die Utensilien waren auch beliebte Hochzeitsgeschenke für junge Paare.
Vom öffentlichen Ritual zur privaten Individualität
Die letzte Phase des menschlichen Lebens umgibt eine Vielzahl von Riten, was das Sterben zum «Rite de Passage» überhaupt macht. Seit jeher übt der Tod auf den Menschen eine ambivalente Ausstrahlung aus – abschreckend und anziehend zugleich. Der Tod ist ein unausweichliches Schicksal, das nach Ritualen verlangt, auf die sich die Menschen stützen können. Früher war das Sterben öffentlich und wurde in der Gemeinschaft begangen und von ihr mitgetragen. Der eigene Tod war allgegenwärtig. Öffentliche Trauerzüge durchs Dorf, «Leidhelgeli», die aufgestellt wurden, Haarbilder von Vorfahren und publizierte Lebensläufe von Verstorbenen in Zeitungen zeugten von der täglichen Präsenz des Todes.
Heute ist das Sterben in den privaten Bereich gerückt. Schon in den 1980er Jahren starben nur noch ca. 30% der Schweizer Bevölkerung bei sich zu Hause. Man stirbt heute im Spital. Aufbahrung und Leichenzug sind der modernen Gesellschaft und der Verdrängung des Todes zum Opfer gefallen. Die verstorbenen Personen werden meist im engsten Familienkreis beigesetzt.