Salzmagazin
Für einmal stammt unser Objekt des Monats nicht aus unserer Sammlung. Stattdessen handelt es sich um ein wichtiges historisches Gebäude in der Obhut des Nidwaldner Museums. Das Salzmagazin, das heute Ausstellungen zu kulturhistorischen Thematiken zeigt, ist ein markanter Bau in Stans, der im Lauf seines Bestehens auf unterschiedlichste Weise genutzt wurde. Das Gebäude war immer öffentlich und stellte oft eine Zwischenlösung bei Platzproblemen im Kanton dar: So dienten die grossen Räume abwechselnd als Theatersaal, als Schulgebäude und teilweise als Lagerstätte für die Marktstände der Gemeinde Stans. Diesen Monat beschäftige ich mich mit zwei Aspekten: Erstens erzähle ich von der Salzlagerung, womit ein wichtiges Stück Nidwaldner und Innerschweizer Wirtschaftsgeschichte zusammenhängt. Zweitens widme ich mich der Entstehung des historischen Museums und der Zeit, als man begann, historisch und kulturell bedeutende Objekte zu sammeln und auszustellen.
Salzmagazin für neun Jahre
Das Salzmagazin wurde ursprünglich als Speicherhaus gebaut. Seit dem Spätmittelalter errichteten alle grösseren Orte der Schweiz öffentliche Lager für Waffen und wichtige Handelsgüter. Entweder wurden spezielle Gebäude zu diesem Zweck gebaut oder bestehende Bauten umgenutzt. Lagerten die Häuser Waffen und Kriegsmaterial, bezeichnete man sie als Zeughäuser oder auch als Pulverturm. Bei der Aufbewahrung anderer Güter, wie zum Beispiel Lebensmittel, sprach man von Kornhäusern oder eben von einem Salzhaus oder Salzmagazin.
Seit dem Spätmittelalter standen Handel und Verkauf von Salz in der Schweiz unter stetig wachsender Kontrolle. Die grossen Salinen am Rhein wurden erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Davor musste das Salz importiert werden, vor allem aus Hall im Tirol und aus Frankreich. Für die Vieh- und Milchwirtschaft der Innerschweizer Orte war die Verfügbarkeit von Salz zentral: Einerseits als Futterergänzung für die Tiere, andererseits zur Konservierung diverser Produkte, wie etwa Käse, Fleisch und Lederwaren, die aus der Vierwaldstättersee-Region exportiert wurden. Als Drehscheiben für den Innerschweizer Salzhandel dienten Luzern und Zürich. Dort finden sich ab dem 14. Jahrhundert Spuren einer obrigkeitlichen Kontrolle über das Salz. Die Regulierung betraf jeden Aspekt des Geschäfts. Die Orte, in denen Salz verkauft und gelagert wurde, waren ebenso festgelegt wie die Masse und Preise des begehrten Guts.
Für die Orte stellte es jeweils ein grosses Problem dar, wenn der Salzhandel aus politischen Gründen oder aufgrund von Kriegen (z.B. dem Zweiten Kappelerkrieg 1531) gestört, aufgehoben oder mit Zusatzabgaben belastet wurde. Funktionierten Handel und Transport nicht mehr, liessen sich die Preise nicht kontrollieren und der Bedarf an Salz konnte nicht gedeckt werden. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, legten viele Orte sicherheitshalber grosse Lager an Salz und Getreide an und übten massive Kontrolle über den Güterverkehr aus, damit die Versorgung auch bei Engpässen gewährleistet war.
Dieses Vorgehen bedingte, dass das Recht, Salz zu handeln, der Obrigkeit vorbehalten war. Bis ins 18. Jahrhundert existierte ein königliches Salzregal. Darunter versteht man ein staatliches Salzmonopol. In Nidwalden besass der Landrat dieses Privileg. 1700/1701 stiess Landamman Niklaus Keyser den Bau des Stanser Salzmagazins an, um die Verfügbarkeit der beiden lebenswichtigen Güter Korn und Salz sicherzustellen. Noch heute ist er mit folgenden Worten am Giebel des Hauses verewigt: «HER HR NICOLAUS KEISER GEWESNER OBERVOGT 6 IAHR SECKELLMEISTER DER ZEIT REGIERENDER LANDTAMEN UND BAUWHERR DISES MAGAZINHAUS NEUW ERWELTER LANDTVOGT UFF DER RÜFFIER UND COMISARI NACHER BÄLLENZ AO 1700». Die Inschrift zeigt beispielhaft auf, wie ein Mitglied der führenden Schicht einen in der Schweiz üblichen Weg der Kontrolle, die an ein Haus gebunden war, einschlug. Das Salzmagazin wurde aber nur neun Jahre für seinen eigentlichen Zweck genutzt. Um 1709 fiel das königliche Salzregal, es entstand ein freier Markt für Salz. Es brauchte kein Lagerhaus mehr, so dass das grosse Gebäude nunmehr für andere Anliegen zur Verfügung stand.
Das erste historische Museum in Stans
Mitte des 19. Jahrhunderts boomte die Disziplin Geschichte. Es war die Zeit der Museumsgründungen und der Nationalgeschichte: in ganz Europa entstanden Museen und grosse Geschichtswerke, die einem breiten Publikum zugänglich waren und die historisch gewachsene Existenz von Staaten durch das Herstellen einer gemeinsamen Vergangenheit anhand von Objekten und Quellen legitimieren sollten. Auch im Kanton Nidwalden gab es Bestrebungen, die Vergangenheit des Kantons zu erforschen. 1864 bildete sich der Historische Verein Nidwalden (HVN), der bis heute besteht und seinem Zweck, die Geschichte Nidwaldens im Blick zu behalten, treu geblieben ist.
Schon vor der Vereinsgründung begannen Geschichtsinteressierte mit einer Sammlung von historischen Gegenständen und Kunstwerken. Es fanden auch erste Ausgrabungen statt, die prähistorische und mittelalterliche Funde auf dem Kantonsgebiet zu Tage förderten. Diese Sammeltätigkeit gab den Ausschlag, ein historisches Museum zu gründen. In diesem Kontext verstärkte der historische Verein seine Tätigkeiten. Er bat seine Mitglieder und Personen, die im Besitz von interessanten Gegenständen waren, diese dem Verein entweder zu schenken oder als Leihgut zu überlassen. So wurden Kunstwerke, Haushaltsgegenstände, naturkundliche Objekte und Waffen, sowie eine Bibliothek und antiquarisches Material zusammengetragen. Als die Sammlung so gedieh, suchte der HVN einen geeigneten Raum, um sie auszustellen. 1872 stellte der Regierungsrat das erste Obergeschoss des Salzmagazins «dem Historischen Verein für Museumszwecke auf unbestimmte Zeit unentgeltlich» [1] zur Verfügung. Damit war der Grundstein für das Museum gelegt, das am 3. August 1873 eröffnete. Bis um 1900 wurde das Museum stetig vergrössert und mehrmals neu arrangiert. Dazu gehörte auch eine Fassadenrennovation im Jahr 1893. Nebst der Restaurierung der Wappen der Familie Keyser und des Standes Nidwalden wurde auch ein Wandbild von Struthan Winkelried von Karl Georg Keyser hinzugefügt. Die Wappen sind geblieben, der Ritter ist heute nicht mehr zu sehen.
Das Salzmagazin wurde oft für verschiedene Zwecke gleichzeitig genutzt. So befand sich zum Beispiel von 1884 bis 1898 im Untergeschoss die Mädchen-Sekundarschule. Als in Stans das Mädchenschulhaus gebaut wurde, siedelten die Schülerinnen um und das gesamte Haus wurde nun für das Museum nutzbar. Im Erdgeschoss war mit dem «Nidwaldner Stübli» ein sogenanntes Kunstkabinett eingerichtet, das Möbel und Haushaltsobjekte beherbergte. Ausserdem wurden im «Kostümraum» diverse Kleidungsstücke, insbesondere Trachten, gezeigt. Im Obergeschoss waren in der sogenannten «Kapelle» kirchliche Altertümer ausgestellt. Dazu kamen eine Bibliothek und ein Raum für naturkundliche Objekte, wie zum Beispiel ausgestopfte Vögel. In den 1980er Jahren wurde das Museum dem Kanton übergeben. Bis heute wird das Salzmagazin als Ort genutzt, an dem Nidwaldner Geschichten und Nidwaldner Geschichte erzählt werden.
Autorin: Alexandra Heini, 2017
Literatur
- Baumgartner, Christoph: Salz in Luzern. Eine Untersuchung des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Salzwesens der Innerschweiz. In: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz 162 (2009), S. 5–106.
- Historischer Verein Nidwalden (Hg.): Das Historische Museum in Stans. In: Beiträge zur Nidwaldner Geschichte 29 (1964), S. 47–80.
- Kunz, Gerold: Eintrag «Salzmagazin» im Bauinventar der Gemeinde Stans (2007/2008).
- [1] In BGN 29, S. 52.