Ölgemälde von Theodor von Deschwanden
NM 383
«Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.» – Johannes 8,12
Das Ölgemälde mit dem Namen «Das Jesuskind verteilt Gaben unter dem Weihnachtsbaum», gemalt vom Stanser Maler Theodor von Deschwanden (* 1826 in Stans, NW), zeigt einen von warmem Licht erleuchteten Knaben, um den sich Kinder im Halbkreis versammelt haben. Der Künstler hat jene Szene festgehalten, in welcher der Knabe, es handelt sich um die Darstellung des Jesuskindes, den Tannenbaum schmückt. Im Vordergrund sind zwei weitere Knaben dargestellt, die in eine rote Decke gehüllt sind. Zusammen mit dem blauen Kissen entsteht ein Kontrast zu der in weiss gekleideten Christusgruppe. Im Hintergrund sind drei blaue Gestalten gerade noch sichtbar, die ähnlich der Christkindgruppe im Halbkreis stehend angeordnet sind.
Eines der ersten Dinge die dem Betrachter auffallen, ist Theodor von Deschwandens Umgang mit Licht. Das warme und gedämpfte Licht geht vom Christusknaben aus und verleiht dem Bild eine festliche Atmosphäre. Das Spiel zwischen Licht und Schatten, sowie die Lichtreflexionen auf den Falten der Gewänder zeugen von der Vorliebe des Künstlers für Details und genaue Naturbeobachtungen, die den Ausführungen seiner Gemälde als Vorbereitung vorangingen. In seinem Weihnachtsbild ist es von Deschwanden gelungen, realistische Elemente mit einer theologischen Bedeutungsebene zu verbinden. Der erleuchtete Christusknabe, dessen Licht perspektivisch korrekt von den ihn umgebenden Figuren reflektiert wird, wird als «das Licht der Welt» dargestellt, welches in die Dunkelheit der Welt hineingeboren wurde. Die Geburt Christi ist aber nicht von seiner Funktion als Erlöser zu trennen, die erst durch seinen Tod erfüllt wird. Um dies zu verdeutlichen ist das Gewand des jungen Christus so dargestellt, dass es an ein Lendentuch erinnert. Damit bleibt ein Grossteil des Körpers frei, dessen Materialität durch rosa Farbnuancen hervorgehoben wird. Eine solche Darstellung verweist auf das zukünftige körperliche Leiden Christi, das er während seiner Kreuzigung ertragen muss. Möglicherweise wird mit der Betonung seines Leibes auch auf die römisch-katholische Lehre der Transsubstantiation hingedeutet. Es handelt sich dabei um eine Glaubenslehre, die vom Konzil von Trient 1545 formuliert wurde: Wenn ein geweihter Priester während der Messe das Brot und den Wein segnet, wandelt sich der Lehre nach das Brot in den wahrhaftigen Leib und der Wein in das wahrhaftige Blut Christi. Der Apfel den er greift, könnte als Paradiesapfel verstanden werden, welcher symbolisch für die Ursünde der Menschen steht. Diese Ursünde nimmt Christus auf sich und tilgt sie durch seinen Opfertod. Seine linke, nach oben gestreckte Hand kann als Verweis auf das himmlische Paradies gelesen werden, der jedem Gläubigen versprochen und durch den Kreuztod Christi ermöglicht wurde.
Theodor von Deschwandens wurde 1840 mit gerade mal 14 Jahren Schüler von Melchior Paul von Deschwanden (*1811 – †1881), mit dem er durch die mütterliche Linie verwandt war. Vier Jahre später zog es den jungen Theodor nach Zürich, wo er im «Künstlergut», einer Art Kunstakademie in der das Abzeichnen von Modellen und Gipsabgüssen geübt wurde, eifrig malte und zeichnete. Bereits 1845 reiste er nach München und nahm das Studium an der dortigen Kunstakademie auf. Den grössten Einfluss auf Deschwandens künstlerisches Schaffen hatte der österreichische Maler und Zeichner der Spätromantik Moritz von Schwind (*1804 – †1871), dessen Schüler er an der Akademie wurde. 1849 folgte die erste Studienreise nach Paris, die Deschwanden aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse bald wieder abbrechen musste. Seinen zweiten Parisaufenthalt 1853 verbrachte von Deschwanden im Louvre und Versailles, wo er Werke des spanischen Barockmalers Bartolomé Esteban Murillo, und die des französischen Historienmalers Horace Vernet kopierte. Weitere Aufenthalte in Paris und Oberitalien, sowie in Belgien und Holland vervollständigten seine künstlerische Ausbildung. Obwohl der Einfluss seines ersten Lehrers Melchior Paul von Deschwanden vor allem in den religiösen Bildern spürbar ist, kann Theodor von Deschwanden der Genre- und Historienmalerei zugeordnet werden. Seine Werke sind, anders als bei Melchior Paul, im Kleinformat gehalten und zeichnen sich durch das Festhalten von zuvor am Modell genau beobachteten Details aus, was typisch für die Genremalerei als Vorboten des Realismus ist. Der Stanser Künstler erlag mit nur 36 Jahren 1861 einem Tuberkoloseleiden.
Autor: Miodrag Roncevic
Quellen
- Hess, Grete: Kunstmaler Theodor Deschwanden 1826 – 1861, Stans 1951.
- Matt, Hans von: Kunst in Stans -1900, Stans 1981.