Morgenstern
NM 9488
Der Morgenstern, das Symbol des Widerstands
Der Begriff «Morgenstern» entstammt der Söldnersprache des 14. Jahrhunderts, womit eine im Mittelalter und in der frühen Neuzeit verwendete Schlagwaffe bezeichnet wird. Diese besteht aus einem Streitkolben, der – insbesondere an der Spitze – mit zahlreichen, meist eisernen Nägeln und Stacheln besetzt ist. Der Morgenstern war vom 11. bis zum 17. Jahrhundert als Kriegswaffe in Gebrauch. Im 14. Jahrhundert war es üblich, auf dem Pferd sitzend, die Schlagwaffe zu schwingen, um so die Feinde zu schlagen. Später, und mit einem längeren Schaft ausgestattet, benutzte sie der Fusskrieger im Kampf.[1] Der Morgenstern kam in unterschiedlichen Formen vor, so z.B. mit einer zusätzlichen Metallkette, welche zu einer gesteigerten Schleuderkraft beitrug.[2] Die Herstellung der Schlagwaffe war einfach und billig, dies insbesondere wenn alltägliche Materialien wie Nägel verwendet wurden. Die gefürchtete und regelmässig benutzte Kriegswaffe war beispielsweise auch im schweizerischen Bauernkrieg im Jahre 1653 im Einsatz. Die gelegentliche Bezeichnung «Entlebucher Knüppel» bezieht sich auf das Entlebuch, als eines der Zentren des ländlichen Aufstandes. Morgensterne galten als besonders wirksame Waffen, da ihre Stacheln und Nägel die verstärkten neuzeitlichen Rüstungen teilweise durchdringen konnten.[3] Bis zum Sonderbundkrieg blieben sie als Kriegswaffen in Gebrauch.[4] Im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch produziert, diente der Morgenstern sodann in erster Linie den Bauern als Waffe. Aufgrund ihres hochsymbolischen Wertes waren sie – als Originalstücke sowie als zeitgenössisch hergestellte Reproduktionen – im 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts anlässlich der Schlachten-Festspiele anzutreffen. Hier wurden jeweils die ruhmvollen Heldentaten der Ahnen inszeniert. [5] Weitere Morgensterne aus der Sammlung des Nidwaldner Museums zeugen ebenso von einer Verwendung im Rahmen solcher historischer Reenactments.
Der Morgenstern aus der Sammlung des Nidwaldner Museums lässt sich vor dem soeben skizzierten Hintergrund teils einordnen. Exakte Aussagen zu Entstehungszeit und Gebrauch sind jedoch schwierig zu treffen. Der vorliegende Morgenstern besteht aus einem langen Schaft, an dessen Spitze der Streitkolben mit Stacheln angebracht ist. Die Metallspitze scheint der Klinge eines Tüllenbajonetts zu entstammen. Der Morgenstern könnte Ende des 17. Jahrhunderts hergestellt und als Bauernwaffe oder Inszenierungswaffe verwendet worden sein. Eine frühere Entstehungszeit ist dennoch nicht auszuschliessen. Allenfalls wurde die ursprüngliche, gewöhnliche Eisenspitze später ausgewechselt. Bei dieser Waffentypologie war es üblich, die abgenutzten Stacheln und die Spitze zu ersetzen.
Der Morgenstern als Bestandteil des Winkelrieddenkmals in Stans
Die Beliebtheit bzw. das Ansehen, das der Morgenstern in jenen Jahrhunderten auf symbolischer Ebene genoss, lässt sich auch anhand des Winkelrieddenkmals in Stans aufzeigen. Dieses wurde am 3. September 1865 eingeweiht und symbolisiert das Opfer des Helden Arnold Winkelried bei der Schlacht von Sempach im Juli 1386. Das Denkmal besteht aus einer Dreifigurengruppe. Am Boden unter dem Helden liegt ein im Kampf gefallener, eidgenössischer Soldat. Über ihm befindet sich der von einem Bündel habsburgischer Lanzen verwundete Winkelried, der sterbend niedersinkt und zu einem jungen, vorstürmenden Krieger aufblickt. Der Jüngling mit erhobenem Morgenstern bricht das Dreieck auf, ohne es zu zerstören und weist räumlich über die Grenzen des Denkmals hinaus. Der junge Krieger wird zum Sinnbild des überraschenden Sieges und der Verpflichtung der jüngeren Generationen, Winkelrieds Opferbereitschaft für die Verteidigung der Freiheit der Eidgenossenschaft zu ehren und gleichsam fortzuführen:[6] Der Morgenstern kann insofern auch als Symbol dieser leidenschaftlichen Verteidigung gelesen werden.
Der Morgenstern ist vom 12. Juni bis zum 16. Oktober 2016 im Rahmen der Ausstellung aut vincere aut mori von Christian Philipp Müller im Winkelriedhaus zu sehen.
Autorin: Martina Albertini, 2016
Literaturangaben
- Flüeler, Karl: Das Winkelried-Denkmal von Stans. Beiträge zur Geschichte Nidwaldens, Heft 30, 1965.
- Folini, Christian: ‹Morgenstern›, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), 24.07.2007, URL: http://www.hls-dhs-dss.chD8615.php (Stand: 04.07.2016).
- Jost, Josef: Bauernkriegs-Gedenkschiessen, Heiligkreuz. Artikel zur Geschichte des Feldschützenvereines Luzern, Nr. 22, Luzern, 2013.
URL: http://www.feldschuetzen-luzern.ch/images/FSVL_pdf/aus_alten_Zeiten/Folge22.pdf (Stand: 25.05.2016) - Nidwaldner Museum (Hg.): Arnold Winkelried. Sein Denkmal in Stans. Katalog zur Ausstellung im Höfli, Stans, vom 7. Juni – 17. August 1986, Stans, 1986.
- Schmidtchen, Volker: Kriegswesen im späten Mittelalter. Technik, Taktik, Theorie, Weinheim, 1990.
- Staatsarchiv Nidwalden, Bild einer Umzugsgruppe historischer Krieger, StaNW, Fotonachlass Franz Kaiser, OD 100/2:6, 1901.
- Wegeli, Rudolf: Inventar der Waffensammlung des Bernischen Historischen Museums in Bern, 4 Bde., Bd. 3: Stangenwaffen, Bern, 1939.
[1] Folini, ‹Morgenstern›.
[2] Morgensterne unterschiedlicher Formen sind in Wegeli, Rudolf: Inventar, Bde. 3, S. 5-8, aufgelistet.
[3] Jost, Bauernkriegs-Gedenkschiessen, S. 3-4.
[4] Folini, ‹Morgenstern›.
[5] Ein Foto des Nachlasses Franz Kaiser, der beim Staatsarchiv Nidwalden aufbewahrt ist, zeigt z.B. einer Umzugsgruppe historischer Krieger, die unterschiedlichen Waffen tragen – Hellebarden, Armbrüsten –, und darunter auch einen Morgenstern (StaNW, Fotonachlass Franz Kaiser, OD 100/2:6, 1901).
[6] Nidwaldner Museum (Hg.): Arnold Winkelried, S. 36-8.