Jost Zumbühls Figur des Konrad Scheuber
NM 6900
Im Mittelpunkt des heutigen Beitrags steht eine Holzskulptur aus der Zeit um 1800. Sie zeigt Bruder Konrad Scheuber, gewissermassen das Nidwaldner Pendant zum Obwaldner Nationalheiligen Bruder Klaus. Die Statue ist heute Teil der Dauerausstellung des Nidwaldner Museums im Stanser Salzmagazin, wo sie dem frommen Bruder ein Gesicht gibt – eines, das aber erst mehr als 200 Jahre nach dessen Tod in Holz geschnitzt wurde.
Im Gegensatz zu seinem berühmten Grossvater Niklaus von Flüe ist Konrad Scheuber (1481-1559) heute nicht mehr weit bekannt. Zu seinen Lebzeiten und in der darauffolgenden Zeit aber wurde er als eine Art Landesvater verehrt. Dies geht insbesondere darauf zurück, dass sich Scheuber wie sein berühmter Grossvater als Eremit in die Einsamkeit zurückzog, wo er sich als Ratgeber für die einfachen Leute, aber auch für die Mächtigen seiner Zeit und Region betätigte. Zu seinen guten Bekannten zählte unter anderem Melchior Lussy. Zunächst zog Scheuber wie Bruder Klaus in den Ranft bei Sachseln, bald darauf entfloh er dem Rummel des bereits blühenden Pilgertums jedoch und liess sich auf der Bettelrüti in der Nähe seines Heims auf Altzellen in Wolfenschiessen eine Klause bauen. Scheuber war jedoch nicht nur frommer Eremit und Ratgeber. Zeit seines Lebens bekleidete er zahlreiche öffentliche Ämter. Er amtete etwa als Kirchmeier, Landrat und schliesslich Landamman. Bereits in jungen Jahren beteiligte er sich auch an Kriegszügen ins Tessin und nach Italien. Dabei habe er, so sein Biograf Andermatt, «das Bluet und Hirn der erschlagenen Feinde mit Messern ab den Kleidern schaben» können. Konrad habe sich heldenmässig verhalten und sich in «mannlicher Tapferkeit» geübt. [1]
Es ist also kein Wunder, wurde Scheuber von seinen Zeitgenossen verehrt. Nach seinem Tod 1559 entwickelte sich seine Grabstätte zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort, obwohl er selbst nie heiliggesprochen wurde. Die Verehrung hielt auch noch lange nach dem Tod des Bruders an – zumindest solange, dass der aus Wolfenschiessen stammende Bildhauer Jost Zumbühl um 1800 aus einem Stück Lindenholz eine Figur des berühmten Nidwaldners erschuf. Lindenholz ist bis heute eines der populärsten Hölzer für die Holzbildhauerei, da es weich und leicht zu bearbeiten ist.
Die nur gerade einen knappen halben Meter hohe Statue ist auf einem kleinen, als Säulenbasis stilisierten schwarzen Sockel platziert. Konrad Scheuber steht in einem leichten Kontrapost und stützt sich mit beiden Händen auf einen langen Gehstock, wobei sein Körper aufrecht bleibt und keineswegs auf die Gehhilfe angewiesen ist. Wie es für die Ikonografie des Bruders typisch ist, trägt er eine braune Kutte, zusammengehalten von einem einfachen Gürtel, sowie eine einfache Kopfbedeckung. Sein langer Bart fällt in Wellen auf die Brust. Der überproportionierte Kopf des Bruders ist leicht zur Seite geneigt, seine Stirn gerunzelt, die Augen blicken nach oben und der Mund ist weit geöffnet.
Der Holzschnitzer Jost Zumbühl, aus dessen Hand die Statue stammt, ist heute beinahe in Vergessenheit geraten. Als einfacher Ziegenhirte brachte er sich selbst das Schnitzhandwerk bei, indem er mit Vorliebe Heiligenfiguren nachbildete. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Alabasterreliefs. 1825 übertrug man ihm die Renovation des Hochaltars der Stanser Pfarrkirche. Und vielleicht kennt die eine oder andere die lebensgrosse Figur des kreuztragenden Christi in der Beinhauskapelle der Pfarrkirche Stans. Diese soll Zumbühl gemäss Durrers Kunstdenkmälern nach einer Vorlage des 16. Jahrhunderts erschaffen haben. Für die Skulptur des Konrad Scheuber im Nidwaldner Museum dürfte der Bildhauer ebenfalls auf eine frühere Vorlage zurückgegriffen haben – es sind einige Bildnisse Konrad Scheubers aus früheren Jahren bekannt. So steht beispielsweise in einer Nische in der Stanser Pfarrkirche eine Statue Scheubers, die ins Jahr 1648 datiert. Ursprünglich soll sich diese Figur zusammen mit einem Bildnis des Bruder Klaus neben dem Stanser Hochaltar befunden haben. Die geringe Grösse und die prominente Platzierung auf dem Sockelchen können darauf hindeuten, dass auch die Schnitzerei aus dem Nidwaldner Museum einst für die Aufstellung in einer Kirche – beispielsweise in einer Nische oder auf einem Altar – angefertigt worden war. Über den tatsächlichen ursprünglichen Entstehungskontext der Skulptur von Jost Zumbühl ist heute zwar nichts mehr bekannt; jedoch wäre eine kirchliche Umgebung in Anbetracht der Bedeutung des Bruders Scheuber für die Gläubigen in Nidwalden sehr plausibel. Statt in einer Kirche, steht die Skulptur Scheubers nun also im Salzmagazin des Nidwaldner Museums und zeugt von der Bedeutung des Bruders in der Politik und Glaubenswelt Nidwaldens.
Autorin: Bettina Thommen, April 2020
[1] Franz Jakob Andermatt, Wunderbarliches Leben und Wandel dess Rechtfrommen Andächtigen Gottseligen und weitberühmten Bruder Conrad Scheübers gewesster Landt-Amman zu Underwalden Nid dem Wald (1679)