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Glasscheibe von José de Nève

Die hier vorliegende, neu in die Sammlung des Nidwaldner Museums aufgenommene Glasmalerei ist ein Werk des Nidwaldner Glasmalers und Künstlers José de Nève. Sie stellt selbst für de Nèves Verhältnisse eine aussergewöhnliche Arbeit dar. Der Grund dafür ist nicht primär das auffallend abstrakte Sujet des Glasgemäldes, viel mehr sind es die vier verschieden grossen Löcher, welche der Künstler in das Gemälde hineingebrannt hat. Diese durchbrechen sehr offensichtlich die klassischen Schemata des Glasmalerei-Handwerks und vermögen dem ansonsten eher zeitlos wirkenden Muster des Glasgemäldes einen modernen Anstrich zu geben. Das Gemälde kann als sinnbildlich für das umtriebige, experimentelle und vielseitige Schaffen de Nèves betrachtet werden, das Verschmelzen von klassischen, fast schon konservativ anmutenden und gleichzeitig progressiven Elementen. Vielleicht ist gerade in dieser Gegensätzlichkeit auch die Prägung durch seinen langjährigen Wohnkanton in seinem Werk zu erkennen. Klar ersichtlich sind jedoch ebenso sein Gespür für Farben sowie die für ihn typische klare Linien- und Formensprache.

Nach de Nèves tragischem Unfalltod durfte das Nidwaldner Museum viele weitere interessante Objekte des Künstlers in die Sammlung aufnehmen. Dieser Umstand soll nun zum Anlass genommen werden, sein Leben und Wirken etwas zu beleuchten.

José de Nève kann man guten Gewissens zu einer der schillernden Persönlichkeiten des Nidwaldner Kulturlebens zählen. Durch sein handwerkliches Schaffen sowie sein Mitwirken und seine Präsenz an verschiedensten traditionellen Anlässen wie Samichlais-Auszug, Sternsingen oder Schmiedgasschilbi vermochte er seinem Wohnkanton ein prägendes Vermächtnis zu hinterlassen.

Auch sein Tätigkeitsfeld als Künstler war enorm breit. Allem voran war er allerdings ein begnadeter und vielgeachteter Glasmaler. So kreierte er nicht nur zahlreiche Glasscheiben für Veranstaltungen und Ehrungen, sondern er zeichnet sich auch verantwortlich für die Glasfenster in der Kapelle von Kehrsiten, in der Aufbahrungshalle beim Friedhof in Stans und für das Altarbild in der Spitalkapelle des Nidwaldner Kantonsspitals.

Auch wenn José de Nève kaum aus Nidwalden wegzudenken ist, so liegen die Wurzeln seiner Familie dennoch nicht in unserem Kanton. José wurde als eines von drei Kindern der ursprünglich aus dem Saarland stammenden Familie de Nève 1933 in Engelberg geboren. Dort verbrachte er die ersten 28 Jahre seines Lebens. In Engelberg machte er auch seine Lehre bei Glasmaler Albert Hinter und führte nach dessen Tod sein Geschäft weiter. 1961 zog er mit seiner Familie ins «Heimeli» nach Oberdorf, wo er neben seinem Wohnhaus auch sein Atelier einrichtete und fortan seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt hatte.

Einen beachtlichen Teil seines Wirkens als Glasmaler in Oberdorf miterlebt hat Christine Zumbühl. Sie hat einst bei José de Nève eine Lehre als Glasmalerin absolviert und arbeitete – nach einer weiteren Ausbildung zur Kunstglaserin in Zürich und ihrer anschliessenden Rückkehr nach Nidwalden – bis zu seinem Tod immer wieder und gerne mit ihm zusammen. Zumbühl widmete sich zumeist der Restaurierung von Glasfenstern und -gemälden (einem Bereich, der de Nève nicht sehr zusagte) und daher ergänzten sich die beiden in ihren Tätigkeitsfeldern jeweils bestens.

Ideen holte sich de Nève laut Zumbühl vor allem, wenn er auf Achse war. Er war gerne draussen, wanderte in den Bergen seiner Heimat und liess sich dabei vom Farbenspiel der Natur inspirieren. De Nève habe aber von Grund auf einen unerschöpflichen Ideenreichtum besessen, den er in jedes seiner Werke einfliessen liess. Ersichtlich ist sicherlich auch sein besonderer und allseits geschätzter Witz, der sich insbesondere von seinen Alltagsarbeiten – z.B. die Fahnen für die Schmiedgasschilbi oder Flyer für Anlässe – ablesen lässt.

Gemäss den Angaben von Christine Zumbühl erlebte die Glasmalerei ihre Blütezeit vom 14. bis 16. Jahrhundert, als Kirchen und edle Ratsstuben mit schönen und äusserst kostspieligen Glasfenstern ausgestattet wurden. Dementsprechend verbreitet war der Beruf des Glasmalers in jener Zeit. Heutzutage stellt dieser Beruf ein seltenes und beinahe vom Aussterben bedrohtes Handwerk dar. De Nève förderte und belebte dieses durch seinen Tatendrang und entfachte auch in Christine Zumbühl die Leidenschaft für die Glasmalerei … eine Leidenschaft, die bei ihr bis heute nicht erloschen ist. Sie arbeitet nach wie vor als selbstständige Glasmalerin in ihrer Wohngemeinde Wolfenschiessen. Sie ist eine der gefragtesten Vertreterinnen ihrer Zunft in der Region und ist ausserdem sehr darauf bedacht, dass dieses besondere und dennoch selten gewordene Handwerk eine Zukunft hat.

 

Autor: Cyrill Willi (verfasst im Frühjahr 2021, aktualisierte Version Sommer 2023)

Foto: Nidwaldner Museum, Christian Hartmann

Literatur

 

Bild zur Ausstellung: Glasscheibe von José de Nève