Geburt Christi von M. P. von Deschwanden

NM 12090

Der Stanser Maler Melchior Paul von Deschwanden (10.01.1811 – 25.02.1881) bekam im fortgeschrittenen Alter von 66 Jahren von Abt Anselm Villiger den Auftrag, die Decke der Klosterkirche Engelberg nach einer Renovation neu auszumalen. Deschwanden entwarf rasch einige Vorschläge, die definitive Ausführung überliess er aber – altersbedingt – seinen Schülern. Das Bildprogramm, das von Abt Villiger und Frater Emmanuel Wagner festgelegt wurde, beinhaltete unter anderem einen Marienzyklus in den Hauptfeldern des Chores und des Schiffes. An den Arbeiten beteiligt war nebst anderen auch Jost Troxler. Aus dessen Pinsel stammt die Darstellung der Geburt Jesu in der Engelberger Kirche. Die Vorlage dazu, die – wie erwähnt – wohl von Deschwanden vorgemalt worden war, befindet sich im Nidwaldner Museum.

Dass es sich bei Deschwandens Malerei um eine Vorlage handelt, wird bereits an der eigentümlichen Form des Randes deutlich, die an das Deckenfeld der Klosterkirche angepasst ist, aber auch an der teilweise skizzenhaften Ausführung auf Karton. In einer felsigen Grotte beugt sich Maria betend zur mit Stroh gefüllten Krippe hinunter, in der das Jesuskind liegt. Josef sitzt ihr gegenüber, im Hintergrund verfolgen Ochs und Esel interessiert das Geschehen. Ein Engelspaar schwebt über der Szene. Draussen in der Dunkelheit steht ein Mann, der durch seinen Hut als Hirte zu erkennen ist. Über ihm am Himmel leuchtet auffallend hell ein Stern. Als Betrachterinnen und Betrachter erkennen wir schnell, dass es sich bei dieser Darstellung um die Geburt Christi handelt. Schliesslich stellt dies die Weihnachtsszene schlechthin dar, die uns besonders jetzt in der Adventszeit überall begegnet: Wir treffen sie etwa als festliches Motiv auf Weihnachtskarten, als Krippenfiguren in den Häusern und im öffentlichen Raum oder sogar als Theater in Form von Krippenspielen an. In der bildenden Kunst wurden die Ereignisse rund um die Geburt Christi bereits früh als Bildthema behandelt. Die ältesten Darstellungen finden sich auf frühchristlichen Sarkophagen des 4. Jahrhunderts. Bereits damals gruppierten die Bildhauer häufig Ochs und Esel sowie Hirten um die Krippe mit dem Jesuskind. Zunächst ging es bei den Darstellungen vor allem darum, die Geschehnisse des Evangeliums bildlich festzuhalten. Erst ab der Gotik, also ab ca. 1200, veränderte sich ihre Funktion. Fortan sollten die Gläubigen dazu angeregt werden, sich beim Betrachten der Geburtsszene in das heilsgeschichtliche Geschehen zu vertiefen und sich der Bedeutung des Dargestellten bewusst zu werden: Mit der Geburt Jesu wird Gott zum Menschen, das Bild vermittelt eine der zentralen Lehren des Christentums. Man spricht dabei auch von Andachtsbildern. Diese Tendenz verstärkt sich in der Renaissance noch weiter. Später steht dann vor allem Christus als Lichtbringer im Fokus der Darstellungen. Das 19. Jahrhundert schliesslich zeichnet sich durch auffallend romantisierende Darstellungen der Geburt Jesu aus, wie dies auch bei Deschwandens Entwurf zu sehen ist.

Warum aber feiern wir ausgerechnet am 25. Dezember den Geburtstag Christi? Über die genaue Entstehung des Weihnachtsfestes herrscht Uneinigkeit, seine Ursprünge gehen aber sicher weit über die Anfänge des Christentums hinaus. Bereits in der Antike gab es die Vorstellung eines von der Jungfrau geborenen Gottes. In Alexandrien etwa feierte man am 25. Dezember den Geburtstag des griechisch-ägyptischen Helios-Aios. Unsere Weihnachtstradition geht aber wohl auf die Römer zurück, die am 25. Dezember das Geburtsfest des Gottes Sol Invictus begingen. Es ist möglich, dass im Laufe des 4. Jahrhunderts diese heidnische Feier durch eine christliche ersetzt wurde, um die neue Religion im Römischen Reich zu stärken. Erst im Jahr 813 erklärte die Mainzer Synode den Tag dann offiziell zum festum nativitas Christi, zum Fest der Geburt Christi, und seither findet das Weihnachtsfest an diesem Tag statt. Zumindest bei uns: In der griechisch-orthodoxen Kirche etwa wird die Geburt Jesu erst am 6. Januar gefeiert, in der armenischen Kirche gar erst am 18./19. Januar.

Die bildliche Darstellung der Geburt Christi begann also bereits vor der Festlegung der Feier auf den 25. Dezember und blieb auch im 19. Jahrhundert hochaktuell. Deschwanden selbst hat sich zeitlebens für die christliche Kunst engagiert. Ab 1838 begann er, sich für das religiöse Italien und insbesondere Rom zu interessieren, worauf er seine erste Italienreise antrat. Dort begegnete er auch Friedrich Overbeck, einem Vertreter der sogenannten «Nazarener». Diese von deutschen Künstlern des 19. Jahrhunderts in Wien und Rom gegründete Bewegung hatte zum Ziel, die Kunst im Geiste des Christentums zu erneuern. Sie standen vor allem dem katholischen Glauben nahe und orientierten sich in ihrer Malerei an den Darstellungen italienischer und deutscher Meister. Deschwanden schloss sich der Gruppe zwar nie an, sah sich aber in seiner Haltung bestätigt, in erster Linie religiöse Inhalte zu vermitteln und erst in einem zweiten Schritt künstlerisch zu reüssieren. Aufgrund seiner Kompositionen, seiner Farbgebung und seinem Pinselstrich wird Deschwanden bis heute von der Kunstgeschichte – zumindest stilistisch – den Nazarenern zugeschrieben. Vor allem aber sind es seine häufig auf religiöse Motive zurückgreifenden Darstellungen, die eine Verbindung zur Künstlerbewegung erlauben. Die Mystifizierung und Glorifizierung des «reinen Christentums» bestimmte die Kunst von Nazarenern und Deschwanden und ist auch im Entwurf für die Klosterkirche Engelberg ersichtlich. Wenn auch die Szene nicht in einem weihnächtlichen Kontext entstanden ist, so ruft sie heute doch unweigerlich Erinnerungen an diesen wichtigen christlichen Feiertag hervor. In diesem Sinne wünscht das Nidwaldner Museum Ihnen und Ihren Liebsten eine angenehme Adventszeit und bereits jetzt fröhliche Festtage!

Autorin: Bettina Thommen, Dezember 2019

Bild zur Ausstellung: Geburt Christi von M. P. von Deschwanden