Dornenkranz
NM 12402
Kein gläsernes, kunstvoll bemaltes Osterei, kein detailliert verarbeitetes Osterhäschen aus Porzellan? Der Mythos um den eierlegenden Osterhasen war entweder in Nidwalden nicht sehr populär, oder aber diese Tradition ist noch nicht so alt. Immerhin hat sie keine Objekte hervorgebracht, die in unserer Sammlung zu finden sind. Darum stellen wir im April, und trotzdem passend zum Osterfest, ein anderes Objekt aus der Sammlung vor: Einen Dornenkranz. Das filigrane Objekt ist aus verschiedenen Dornenästen mehrschichtig geflochten worden. Da der Aussendurchmesser nur 16cm beträgt, liegt die Vermutung nahe, dass der Dornenkranz einst den Kopf einer Christus-Figur zierte. Eine klare Zugehörigkeit zu einer solchen Figur aus der Sammlung kann aber leider nicht nachvollzogen werden.
Die Bedeutung des Dornenkranzes oder der Dornenkrone ist eng an die Bibel gebunden. In drei der vier Evangelien des Neuen Testaments (Matthäus, Markus und Johannes) wird geschildert, wie römische Soldaten Jesus eine Dornenkrone aufsetzten. Vor Jesus‘ Kreuzigung hätten sie den König der Juden höhnisch mit königlich anmutenden Symbolen ausgestattet – neben der Krone mit einem roten Umhang und einem Schilfrohr als Zepter – während sie ihn schlugen, misshandelten und verspotteten.
Die Soldaten führten ihn in den Palast hinein, das heisst in das Prätorium, und riefen die ganze Kohorte zusammen. Dann legten sie ihm einen Purpurmantel um und flochten einen Dornenkranz; den setzten sie ihm auf und grüssten ihn: Heil dir, König der Juden! Sie schlugen ihm mit einem Stock auf den Kopf und spuckten ihn an, knieten vor ihm nieder und huldigten ihm. Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Purpurmantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an.
Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen.[i]
Der Kreuzigung Christi wird an einem der wichtigsten christlichen Feiertage, dem Karfreitag, gedacht. In Anlehnung an die oben gezeigte Bibelstelle wird der gekreuzigte Christus oftmals mit einem Dornenkranz abgebildet. Bildzeugnisse vor dem zweiten Jahrhundert gibt es keine, da zu dieser Zeit das alttestamentarische Bildverbot Jesusdarstellungen nicht erlaubte. Die ersten Darstellungen von Jesus zeigen ihn als Hirten und Lehrer, ab dem 6. Jahrhundert entstanden heroische Herrscherbildnisse. Im 13. und 14. Jahrhundert wurde dann das Bild des leidenden Christus populär und damit die Dornenkrone als Charakteristikum des Gekreuzigten.
Da der Tod und die Auferstehung Jesu laut dem Neuen Testament in die Pessach-Woche[ii] fielen, wird auch das Osterdatum nach dem Termin dieses jüdischen Festes bestimmt: Gefeiert wird immer am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Dem Karfreitag und Ostern voran geht die Karwoche, die letzte Woche vor dem Ende der vierzigtägigen Fastenzeit.
Der Osterfestkreis des liturgischen Jahres beginnt bereits mit der Fastenzeit am Aschermittwoch. Diese erinnert an die vierzigjährige Reise der Israeliten durch die Wüste und die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste fastete und betete. Der Palmsonntag schliesst diese Reise ab: Mit Palmwedeln wird Jesus und sein Gefolge in Jerusalem empfangen, wo sie das traditionelle jüdische Pessach-Fest feiern wollen. Am Gründonnerstag gedenken die Christen dem letzten Abendmahl, der Karfreitag ruft die Kreuzigung in Erinnerung, der Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe und am Ostersonntag schliesslich wird die Auferstehung gefeiert. Mit Pfingsten wird der österliche Zyklus nach rund 50 weiteren Tagen der Freude abgeschlossen.
Neben den alten Brauchtümern, christlichen Andachten und Festen rund um Ostern – wie der Aschenweihe und Aschenauflegung am Aschermittwoch, dem Fasten, der Kreuzwegandacht, den Passions- und Osterspielen, der Osterkerze, dem Osterfeuer und vielen mehr – haben sich auch einige neuere Ostertraditionen herausgebildet. Viel mit dem christlichen Ostern zu tun haben diese aber meistens nicht.
Warum beispielsweise gerade der Hase zum Ostersymbol schlechthin geworden ist, lässt sich nicht abschliessend sagen. Bei den Kirchenvätern war er lange verpönt, weil der Verzehr von Hasenfleisch anscheinend lüstern machen soll und ihm seiner Fruchtbarkeit wegen ein sinnlicher Charakter zugeschrieben wurde. Weil der Hase aber keine Augenlider besitzt und deshalb der Eindruck entstehen kann, das Tier schlafe mit offenen Augen, wird er trotzdem als Sinnbild für den auferstandenen Jesus gedeutet. Dies ist – selbstverständlich – eine von vielen Theorien dafür, weshalb ausgerechnet der Hase uns heute die Ostereier bringt. Sicher ist, dass sich der Mythos um den Osterhasen erst ab 1800 und vor allem in städtischen Gebieten durchgesetzt hat. Ähnlich wie der Hase ist auch das Ei ein uraltes Symbol für Leben – nicht zufällig schlüpft in vielen Schöpfungsmythen die Welt aus einem Ei. Neben dieser symbolischen Verknüpfung zu Ostern und der Auferstehung Christi, soll hier aber auch auf eine etwas funktionalere Erklärung verwiesen werden: Neben Fleisch waren in der Fastenzeit lange auch alle Eier- und Milchspeisen verboten, was an Ostern zu einem Überfluss an Eiern führte. Und da Ostern ein üblicher Zinstag war, wurden Eier als Zins abgegeben. Trotzdem blieben noch genug übrig, um sie auch zu verschenken. Wie aber die Erzählung vom Hasen entstanden ist, der die Eier versteckt? – Das bleibt ungewiss.
Autorin: Magdalena Bucher, 2015
Quellenhinweise
- Binotto, Thomas: Vom Osterhasen zum Christkind. Christliche Feste im Jahreslauf. Zürich 2011.
- Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung. Freiburg i.B. u.a. 1980.
- Kirchhoff, Hermann: Christliches Brauchtum. Feste und Bräuche im Jahreskreis. München 1995.
- Wagemann, Gertrud: Feste der Religionen – Begegnungen der Kulturen. München 2014.
[i] Die Bibel, Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung. Herder, Freiburg u.a., 1980.
Markus Evangelium: 16-20b.
[ii] Das Pessach-Fest gehört zu den wichtigsten Festen des Judentums. Gefeiert wird der Auszug der Israeliten aus Ägypten und somit deren Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei.