Bruder Klaus: eine Lithografie von Hans von Matt
NM 3769
Am 25. September feiert der Schweizer Nationalheilige Niklaus von Flüe seinen Namenstag. Das Leben und Wirken des Bruder Klaus, wie er gemeinhin bekannt ist, bot nicht nur Stoff für zahlreiche Legenden und Mythen; seine typische, hagere Gestalt inspirierte auch viele namhafte Künstlerinnen und Künstler. In der Sammlung des Nidwaldner Museums befinden sich etliche Werke, die Bruder Klaus zum Thema nehmen, darunter auch ein Druck des Stanser Künstlers Hans von Matt (*7.5.1899 in Stans, †8.11.1985 ebd.), der das Porträt des Heiligen zeigt.
Der Bildhauer, Maler und Schriftsteller Hans von Matt beschäftigte sich wie viele andere Innerschweizer Künstlerinnen und Künstler ausgiebig mit Bruder Klaus und setzte sich überhaupt ein für eine moderne religiöse Kunst. Dies spiegelt sich nicht nur in seinem künstlerischen Werk, sondern etwa auch in seinem Engagement als Gründer und Vorstand der Schweizerischen Lukasgesellschaft, deren Ziel die Förderung kirchlicher Kunst ist. Von Matt selbst schuf zahlreiche (Grab-)Plastiken und Reliefs für Kirchen in der gesamten Deutschschweiz. Beim Porträt des Bruder Klaus handelt es sich jedoch um eine andere Technik, und zwar um eine Lithografie, auch «Steindruck» genannt. Dieses aufwendige Druckverfahren wurde vor allem im 19. Jahrhundert und bis in die 1930er Jahre vornehmlich für farbige Drucksachen eingesetzt. Heute ist die Lithografie meist nur noch im künstlerischen Umfeld zu finden, denn das Prozedere ist langwierig und erfordert höchste Genauigkeit. Das Prinzip der Lithografie beruht auf dem chemischen Gegensatz von Fett und Wasser: Zuerst wird das Motiv in fettreicher Tusche oder Kreide auf einen glattgeschliffenen Stein aufgebracht. Daraufhin wird der Stein mit einer Mischung aus Gummi Arabicum und Salpetersäure geätzt, so dass die tuschefreien Stellen fettabstossend und somit druckfrei bleiben. Nach einer gründlichen Säuberung mit Wasser kann der feuchte Stein mit fetthaltiger Farbe eingewalzt werden, die sich mit der fetthaltigen Zeichnung auf dem Stein verbindet, von der restlichen Oberfläche aber abgestossen wird. Beim tatsächlichen Druck auf Papier wird somit nur die Zeichnung sichtbar: in diesem Fall das Porträt des Niklaus von Flüe. Der Heilige steht der Betrachterin, dem Betrachter frontal gegenüber und blickt sein Gegenüber mit seinen ausdruckstarken Augen eindringlich an. Die «archaisierende Frontalität», die an Ikonenbilder erinnert, ist typisch für die Werke von Matts bis in die 1960er Jahre. Seine Tendenz einer Überlängung seiner Figuren nimmt die überlieferte Physiognomie des Bruder Klaus auf, der trotz seiner eingefallenen Gesichtszüge kraftvoll und lebendig erscheint.[1]
Niklaus von Flüe (1417–1487) war ein einfacher Bauer und Vater von fünf Töchtern und fünf Söhnen. Trotz seiner familiären Pflichten entschloss er sich, eine Pilgerreise zu unternehmen. Diese brach er aber nach einer Vision wieder ab, baute sich in der Nähe seines Hauses in der Ranftschlucht eine bescheidene Hütte und zog sich dort in die Einsamkeit zurück. Rasch verbreitete sich die Kunde, von Flüe lebe dort ganz ohne Speis und Trank. Dies sowie seine überlieferten Visionen trugen erheblich zu seiner Beliebtheit und Mystifizierung bei. Stets interessierte er sich aber auch noch für das weltliche Geschehen: Als sich 1481 Abgesandte der zerstrittenen Acht Orte in Stans zu einer Tagsatzung trafen, konnte die verfahrene Situation nur durch einen Ratschlag des Einsiedlers gelöst werden. Der Inhalt dieser Botschaft ist nicht überliefert, Bruder Klaus› Einfluss auf den Abschluss des sogenannten Stanser Verkommnis aber gilt heute als historisch erwiesen.[2]
Bemerkenswert ist aber vor allem das Nachwirken des Bruder Klaus, das sich bis in jüngste Zeit zieht. Bereits wenige Jahre nach seinem Tod setzte seine Verehrung ein, zahlreiche Pilger besuchten seine Grabstätte in Sachseln und seine Wirkungsstätte auf dem Flüeli. Nidwalden und Obwalden unternahmen ab dem 16. Jahrhundert regelmässige Landeswallfahrten zu Bruder Klaus – eine Tradition, die bis heute anhält. Gleichzeitig tauchte der Eremit vermehrt in Schriften sowohl katholischer als auch protestantischer Autoren auf. Im Zuge des erstarkenden Nationalismus des 19. Jahrhunderts gewann Bruder Klaus weiter an Popularität und wurde während der beiden Weltkriege endgültig zum überkonfessionellen Schutzpatron für die Schweiz erklärt. Am 15. Mai 1947 schliesslich sprach ihn Papst Pius XII. heilig. Trotz seines gesamtschweizerischen Patronats kommt dem Nationalheiligen vor allem in der katholischen Innerschweiz eine besondere Bedeutung zu. Die kreative Auseinandersetzung zahlreicher regionaler Künstlerinnen und Künstler mit Bruder Klaus in ganz unterschiedlichen Medien belegt eindrücklich seine Wirkungsdauer bis in die heutige Zeit.
Autorin: Bettina Thommen, September 2019
[1] Mehr zu Hans von Matt: http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4001290 (16.09.2019)
[2] Mehr zu Bruder Klaus: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010224/2017-09-28/ (16.09.2019)