Augustina Flüeler in ihrem Atelier – eine Fotografie von Peter Ammon

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Das Bild aus der Sammlung des Nidwaldner Museums zeigt die Klosterschwester Augustina Flüeler an ihrem Arbeitsplatz. Das textile Schaffen hatte für die Schwestern des Klosters St. Klara in Stans eine lange Tradition – Nähen, Stricken, Spinnen und Weben gehörte in vielen Frauenklöstern zum Alltag. Sie verstanden die Arbeiten als Dienst an Gott und dem Kloster, stellten Gebrauchsgegenstände her aber auch kunsthandwerklich hochstehende Arbeiten. Mit Schwester Augustina Flüeler begann in Stans gewissermassen eine neue Ära: Die ausserordentlich begabte Frau machte das Kloster über die Landesgrenzen hinaus bekannt, indem sie die Paramentenherstellung ab Anfang der 1930er Jahre in ihrer Klosterwerkstätte neu etablierte.

Als Anna Marie Flüeler kam Schwester Augustina am 2. September 1899 in Stans zur Welt. Bereits in der Primarschule fiel sie mit grossem Interesse und einer besonderen Begabung für Textilarbeiten auf. Im damals renommierten Handarbeitsseminar in St. Gallen machte Flüeler ihre Lehrerinnen-Ausbildung, die sie mit Bestnoten abschloss und die sie fortan befähigte auf der Primar-, Sekundar- und Fortbildungsstufe zu unterrichten. In St. Gallen fällte sie auch ihre Entscheidung in ein Kloster einzutreten: 1919 wurde sie Novizin im Kloster St. Klara Stans, 1921 legte sie ihre zeitliche und 1924 ihre ewige Profess ab. Noch im selben Jahr gründete Augustina Flüeler am Töchterinstitut – weil sie sich in den textilen Werkstätten der Klosterschule unterfordert fühlte – eine Fachklasse für Handarbeit. Ab 1929 baute sie schliesslich das Paramentenatelier auf, das sie in den 1940er Jahren bekannt machen und ihr viele Freiheiten ausserhalb des Klosterlebens bringen sollte.

1584 legte Ritter Melchior Lussi, der ehemalige Besitzer des Winkelriedhauses und Landamman von Nidwalden, den Grundstein zum Kapuziner-Kloster in Stans. Er schien auch gewillt ein Frauenkloster zu bauen; schliesslich gelang es aber erst 1615: Das Schwesternpaar Katharina und Maria Gut wollte ihr ererbtes Vermögen in die Gründung eines Frauenklosters investieren – ansonsten würden sie das Land verlassen, um einer anderen klösterlichen Gemeinschaft beizutreten. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts und nach anfänglichen Schwierigkeiten, konnten die Schwestern ihr Kloster etablieren. Bereits 1658 zählte der Konvent über vierzig Schwestern. Sie bestellten ihr Land, unterrichteten Mädchen aus der Region und fertigten wertvolle Klosterarbeiten an. Während dem Franzosenüberfall in Nidwalden 1798 und der Zeit der Helvetischen Regierung erging es den Schwestern im Kloster weniger gut: Sie mussten ihre Räumlichkeiten den Soldaten zur Verfügung stellen und wurden sogar mit der endgültigen Schliessung des Klosters bedrängt – doch alle Schwestern blieben, das Kloster konnte weiter bestehen.

Erst im 19. Jahrhundert hatte sich die klösterliche Institution wieder erholt und erlebte bis Mitte des 20. Jahrhunderts sogar eine wahre Blütezeit. Vor allem die Gründung der klostereigenen Mädchenschule etablierte das Institut. Und mit der Paramentenkunstwerkstatt von Schwester Augustina Flüeler erlangte das Kloster St. Klara schliesslich internationale Ausstrahlung.

Augustina Flüeler war der Überzeugung, dass das liturgische Kleid in der Kirche zu lange eine rein dekorative Rolle gespielt hatte. Deshalb erneuerte sie das Sakralgewand bezüglich Stoff, Farbe und Ornamentik, wobei sie vor allem auf Schlichtheit und Echtheit achtete. Ihre Arbeiten zeichneten sich durch edle Materialien und eine sehr feine Verarbeitung aus. Bei den verschiedenen Wettbewerben und Ausstellungen, an denen sie ihre Paramente zeigen konnte, stiessen die Gewänder auf grosses Interesse. Daneben trugen auch ihre Publikationen zur Bekanntheit bei; 1949 erschien ihr erstes Buch zu kirchlichen Gewändern, das bereits 1955 neu aufgelegt wurde. Sie konnte sich daraufhin immer mehr Freiheiten nehmen. Normalerweise brauchten die Schwestern jedes Mal die Zustimmung des Provinzials, wenn sie das Kloster verlassen wollten. Weil Augustina Flüeler, je bekannter sie als Künstlerin wurde, zahlreiche Einladungen zu Studienreisen, Vorträgen, Seminaren, Tagungen und Kursen im In- und Ausland erhielt, erteilte ihr die hl. Kongregation der Religiosen in Rom 1959 die Erlaubnis für zwei Jahre «zwecks weiterer Ausbildung zur Anfertigung kirchlicher Paramente» [i] Kirchen, Schulen und Ausstellungen zu besuchen.

Auch wenn der katholische Glaube im Kanton Nidwalden nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, musste das Kloster aufgrund fehlenden Nachwuchses 2004 geschlossen werden. Die Öffnung, die das Kloster zu Zeiten von Augustina Flüeler und ihrer Paramentenwerkstatt erfahren hat, ist neben der Klostergeschichte auch für Nidwalden im Allgemeinen wichtig und prägend gewesen. Wie genau sich das gezeigt hat, kann ab Mitte März 2016 in der neuen Dauerausstellung im Salzmagazin erkundet werden. Die Vernissage zur Ausstellung Nidwaldner Geschichten. Mutig, trotzig selbstbestimmt – Nidwaldens Weg in die Moderne findet am Samstag 12. März 2016 um 17:00 Uhr statt.

Der Grossteil der Informationen aus diesem Text stammt aus der neuen Publikation des Historischen Vereins Nidwalden, die sich zur Feier des 400jährigen Jubiläums der Geschichte des Klosters St. Klara widmet.

Autorin: Magdalena Bucher, 2015

Literaturangaben

  • Historischer Verein Nidwalden (Hg.): 400 Jahre Kloster St. Klara. 1815-2015 Kapuzinerinnen in Stans. Stans, 2015.
  • Reinle, Adolf: Paramente der Schwester Augustina Flüeler. In: (Das) Werk. Kirchliche Architektur und Kunst. Bd. 44, Heft 6, 1957.

[i] Zitiert aus: Historischer Verein Nidwalden (Hg.): 400 Jahre Kloster St. Klara. 1815-2015 Kapuzinerinnen in Stans. Stans, 2015. S. 129.

Bild zur Ausstellung: Augustina Flüeler in ihrem Atelier – eine Fotografie von Peter Ammon
Augustina Flüeler in ihrem Atelier – eine Fotografie von Peter Ammon, NM 11396.3