Arnold Odermatt. Lichtbilder
Ein Hausbrand in Hergiswil Anfang der achtziger Jahre. Es ist schon dunkel an diesem Samstagabend, Polizei und Feuerwehr sind vor Ort. Als der Brand unter Kontrolle ist und sie sich auf den Heimweg machen, entdeckt einer hinter einem Gebüsch ein anliegendes Gelände, auf dem um die fünfzig Occasionswagen auf neue Besitzer warten. Zufällig bemerkt er, dass die Hitze des Feuers auch hier seine Spuren hinterlassen hat: Die Plastikbedeckungen der Fahrzeuglichter sind zu skurrilen Formen geschmolzen. Am nächsten Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, kehrt der Polizist mit Kamera und Stativ auf den Parkplatz zurück. Erst jetzt, bei Tageslicht, kann er die fantasievollen, farbigen Gebilde, die entstanden sind, genauer betrachten; er schiesst eine ganze Bildserie dieser fantastischen Lichtskulpturen.
Arnold Odermatt, der vielleicht erste Polizeifotograf der Schweiz
Arnold Odermatt wurde 1925 in Oberdorf geboren. Zunächst absolvierte er eine Bäckerlehre, musste aufgrund einer Mehlallergie jedoch den Beruf wechseln. 1948 trat er in die Nidwaldner Polizei ein. Um das polizeiliche Protokoll zu ergänzen, hielt er Unfälle mit einer Rolleiflex auf Film fest, den er anschliessend in einer selbst eingerichteten Dunkelkammer entwickelte. Oft kehrte er auch nach Dienstschluss nochmals an den Ort des Geschehens zurück, um sein persönliches fotografisches Tagebuch zu erweitern.
Die Fotografie des geschmolzenen Rücklichts zeigt die Eigenheiten von Arnold Odermatts meisterhaftem Können: Der Bildausschnitt ist präzise gewählt und technisch perfekt umgesetzt. Auch wenn Arnold Odermatt nicht die Absicht hatte, ein Kunstwerk zu schaffen, wird trotzdem schnell klar, dass seine Herangehensweise von seinem Gespür für Formen, Licht und Dunkel sowie von einer strengen Sachlichkeit und der konsequenten Reduktion auf das Wesentliche geprägt ist.
Arnold Odermatt bildete sich als Autodidakt weiter und fotografierte während fünfzig Jahren: die Landschaft seiner Umgebung, sein Arbeitsumfeld und das Leben zu Hause. Zu Beginn der neunziger Jahre entdeckte sein Sohn Urs Odermatt während der Recherchen zu seinem Film «Wachtmeister Zumbühl» das Bildarchiv. 1993 erschien das Buch «Arnold Odermatt, Meine Welt. Photographien 1939-1993» im Benteli Verlag. Bisher kamen unter anderem Besucherinnen und Besucher in Venedig (Biennale 2001), Deutschland, Frankreich und den USA in den Genuss, die Bilder des ehemaligen Polizisten Odermatt aus der Innerschweiz im musealen Kontext kennen zu lernen. Die Veröffentlichung der Bildbände «Im Dienst», «In zivil» sowie «Karambolage» im renommierten Verlag Steidl – alle drei erscheinen in zweiter Auflage – tragen weiterhin zur Verbreitung rund um den Globus bei.
2013 zeigte das Nidwaldner Museum Arbeiten aus dem umfangreichen Werk von Arnold Odermatt, darunter auch die Fotografie des geschmolzenen Rücklichts. Weitere Informationen zur Ausstellung «Das Dorf als Welt».
Autorinnen: Flurina Joray, Nadine Wietlisbach